Freitag, Juli 30, 2010

Gesehen und gedacht: Darf ein Medium dermassen schockieren?

Vom Titelbild des aktuellen «Time Magazine» blickt eine junge Frau, eine Afghanin mit dunklen Augen und vollen Lippen. Wo ihre Nase sein sollte, klafft ein Loch. Talibankämpfer haben die 18-Jährige verstümmelt, weil sie die Familie ihres Mannes verlassen hat. Diese Lebensgeschichte in zwei Sätzen steht unter dem Bild, dazu die Schlagzeile: «Was passiert, wenn wir Afghanistan verlassen.» Ein klares Bekenntnis, das die Zeitschrift für den Krieg in Afghanistan abgibt – und ein Bild, das haften bleibt.

Ein Schock. Mein Atem stockt. Ist das Bild unethisch? Pietätlos? Verletztend? Darf ein internationales Medium seine Leserschaft dermassen schockieren? - «Time» ist sich der Wirkung des Bildes bewusst. «Wir haben lange darüber nachgedacht, ob wir dieses Bild auf das Titelblatt des Magazines setzen sollen», wendet sich der Chefredaktor im Vorwort an seine Leser. «Das Bild ist machtvoll, schockierend und verstörend.» Sie hätten das Bild abgedruckt, so der Chefredaktor, «weil es Teil unserer Arbeit ist, grausame Dinge, die Menschen widerfahren, zu betrachten und zu erklären». Meine Zweifel bleiben.

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