Montag, Februar 12, 2007

Multimedia - ein Quantensprung im Internet


Während Niggi Basler den Morgenkaffee trinkt, ruft er auf seinem Notebook die neusten E-Mails sowie Newsletters ab und liest auf der Homepage seines Leibblattes die Schlagzeilen der letzten Stunden. Nach der Morgentoilette erledigt er an seinem häuslichen «Telearbeitsplatz» wichtige Telefonate und recherchiert via Multimedia-Steckdose in der Fachpresse.

Auf dem Weg zum Konzernsitz, wo er sich mit seiner Abteilung zu einer Wochensitzung trifft, hört er im Intercity seinen Anrufbeantworter ab, reserviert via UMTS zwei Plätze in einem Restaurant und schaut sich die gespeicherten Morgenbeiträge der Lokalfernsehstation an.

Auf der Wochenkonferenz wird das digitalisierte Protokoll einer Fachveranstaltung vom Vorabend aus dem Internet heruntergeladen und in Text, Ton sowie Bild abgespielt. Während der Diskussion werden Kolleginnen und Kollegen aus Tokio, San Francisco und London zugeschaltet.

Auf der Fahrt nach Hause liest Niggi Basler, gesättigt von der mehrstündigen Arbeit an diversen Monitoren, den Feuilletonteil seines Leibblattes, eine Auslandsreportage sowie einen Leitartikel. Seiner Tochter bringt er ein aus einem Basler Magazin herausgeschnittenes Foto nach Hause.

Zugegeben, das hier geschilderte Szenario mag futuristisch klingen: Doch wer das Tempo der «digitalen Revolution» verfolgt, weiss ebenso: Wir befinden uns nicht mehr weit von Niggi Baslers Informationsverhalten entfernt.

Die modernen Kommunikationstechnologien sind vorhanden. Sie bilden die Voraussetzung, dass wir uns effizienter, selektiver und präziser informieren. Die Dimension «Multimedia im Internet» entpuppt sich als Quantensprung im News-Business.

Prozessoren, Bandbreiten und Modems werden schneller und schneller. In Datenbanken gespeicherte Bewegtbilder und Töne können mit Hilfe von speziellen Playern überall auf der Welt heruntergeladen und angeschaut werden. Illustrierte Berichte, Tabellen, Links, Grafiken, Fotos, Originaltöne und Bewegtbilder sind ebenso rasch wie günstig verfügbar. Das Nachrichtenangebot wird mehrschichtiger, dynamischer und benutzerfreundlicher.

Eine simple Nachricht, im World Wide Web mit «Mehrwert» versehen, wird vollständiger und interessanter: Einbinden lassen sich nämlich auch Originalquellen, Originaltöne und Originalbilder. Wer mehr wissen will, ruft Hintergrundberichte und Reportagen ab oder schaltet sich über eine Webcam live in eine Veranstaltung ein.

Für die Verknüpfung von Text, Ton und Bild sind Nachrichtenportale im Internet geradezu prädestiniert. Hier suchen Interessierte nach «Fast News» und «Deep News», nach Zusatzinformationen und Fremdlinks. Hier werden kurze Texte, Statistiken, Originaltexte, Töne sowie Videos abrufbar gespeichert. Hier besteht die Möglichkeit zur raschen Aktualisierung laufender Ereignisse.

In den USA nutzen CNN.com, die Zeitungen «USA Today», «Orlando Sentinel» sowie die «Chicago Tribune» diese crossmedialen Möglichkeiten seit mehreren Jahren. Speziell geschulte Online-Teams bereiten die unterschiedlichen Inhalte mediengerecht auf.

Die Entwicklung hat - mit Verzögerung - auch in der Schweiz eingesetzt: Hierzulande versuchen sich Radio und Fernsehen DRS sowie die «Aargauer Zeitung» als Multimedia-Pioniere. Auch BaZ online hat mit dem Zolli-Video einen ersten Schritt in die Zukunft gewagt. Weitere Projekte werden folgen.

Unter dem Einfluss der digitalen Angebote verändern sich die Nutzungsgewohnheiten der Leserinnen und Leser: Das Internet ist in den USA auf dem besten Weg, ein typisches «Morgenmedium» zu werden, während Zeitungen und Magazine vorwiegend abends gelesen werden. Ob das auch in Europa der Fall sein wird, muss sich noch weisen. Sicher ist aber, dass der «interaktive Journalismus» die Transparenz fördert und zur demokratischen Meinungsbildung beträgt. Für die grossen Medienhäuser dürfte Multimedialität damit neben Qualität, Aktualität, Objektivität und Originalität zu einem festen Faktor im Nachrichtengeschäft werden. Peter Schibli

Reden, Debatten und Veranstaltungen können heute digital protokolliert und in Text, Ton sowie Bild ins Internet gestellt werden.

«Für die grossen Medienhäuser wird Multimedialität zu einem unverzichtbaren Faktor im Nachrichtengeschäft.»

Multimedia - ein Quantensprung im Internet


Während Niggi Basler den Morgenkaffee trinkt, ruft er auf seinem Notebook die neusten E-Mails sowie Newsletters ab und liest auf der Homepage seines Leibblattes die Schlagzeilen der letzten Stunden. Nach der Morgentoilette erledigt er an seinem häuslichen «Telearbeitsplatz» wichtige Telefonate und recherchiert via Multimedia-Steckdose in der Fachpresse.

Auf dem Weg zum Konzernsitz, wo er sich mit seiner Abteilung zu einer Wochensitzung trifft, hört er im Intercity seinen Anrufbeantworter ab, reserviert via UMTS zwei Plätze in einem Restaurant und schaut sich die gespeicherten Morgenbeiträge der Lokalfernsehstation an.

Auf der Wochenkonferenz wird das digitalisierte Protokoll einer Fachveranstaltung vom Vorabend aus dem Internet heruntergeladen und in Text, Ton sowie Bild abgespielt. Während der Diskussion werden Kolleginnen und Kollegen aus Tokio, San Francisco und London zugeschaltet.

Auf der Fahrt nach Hause liest Niggi Basler, gesättigt von der mehrstündigen Arbeit an diversen Monitoren, den Feuilletonteil seines Leibblattes, eine Auslandsreportage sowie einen Leitartikel. Seiner Tochter bringt er ein aus einem Basler Magazin herausgeschnittenes Foto nach Hause.

Zugegeben, das hier geschilderte Szenario mag futuristisch klingen: Doch wer das Tempo der «digitalen Revolution» verfolgt, weiss ebenso: Wir befinden uns nicht mehr weit von Niggi Baslers Informationsverhalten entfernt.

Die modernen Kommunikationstechnologien sind vorhanden. Sie bilden die Voraussetzung, dass wir uns effizienter, selektiver und präziser informieren. Die Dimension «Multimedia im Internet» entpuppt sich als Quantensprung im News-Business.

Prozessoren, Bandbreiten und Modems werden schneller und schneller. In Datenbanken gespeicherte Bewegtbilder und Töne können mit Hilfe von speziellen Playern überall auf der Welt heruntergeladen und angeschaut werden. Illustrierte Berichte, Tabellen, Links, Grafiken, Fotos, Originaltöne und Bewegtbilder sind ebenso rasch wie günstig verfügbar. Das Nachrichtenangebot wird mehrschichtiger, dynamischer und benutzerfreundlicher.

Eine simple Nachricht, im World Wide Web mit «Mehrwert» versehen, wird vollständiger und interessanter: Einbinden lassen sich nämlich auch Originalquellen, Originaltöne und Originalbilder. Wer mehr wissen will, ruft Hintergrundberichte und Reportagen ab oder schaltet sich über eine Webcam live in eine Veranstaltung ein.

Für die Verknüpfung von Text, Ton und Bild sind Nachrichtenportale im Internet geradezu prädestiniert. Hier suchen Interessierte nach «Fast News» und «Deep News», nach Zusatzinformationen und Fremdlinks. Hier werden kurze Texte, Statistiken, Originaltexte, Töne sowie Videos abrufbar gespeichert. Hier besteht die Möglichkeit zur raschen Aktualisierung laufender Ereignisse.

In den USA nutzen CNN.com, die Zeitungen «USA Today», «Orlando Sentinel» sowie die «Chicago Tribune» diese crossmedialen Möglichkeiten seit mehreren Jahren. Speziell geschulte Online-Teams bereiten die unterschiedlichen Inhalte mediengerecht auf.

Die Entwicklung hat - mit Verzögerung - auch in der Schweiz eingesetzt: Hierzulande versuchen sich Radio und Fernsehen DRS sowie die «Aargauer Zeitung» als Multimedia-Pioniere. Auch BaZ online hat mit dem Zolli-Video einen ersten Schritt in die Zukunft gewagt. Weitere Projekte werden folgen.

Unter dem Einfluss der digitalen Angebote verändern sich die Nutzungsgewohnheiten der Leserinnen und Leser: Das Internet ist in den USA auf dem besten Weg, ein typisches «Morgenmedium» zu werden, während Zeitungen und Magazine vorwiegend abends gelesen werden. Ob das auch in Europa der Fall sein wird, muss sich noch weisen. Sicher ist aber, dass der «interaktive Journalismus» die Transparenz fördert und zur demokratischen Meinungsbildung beträgt. Für die grossen Medienhäuser dürfte Multimedialität damit neben Qualität, Aktualität, Objektivität und Originalität zu einem festen Faktor im Nachrichtengeschäft werden. Peter Schibli

Reden, Debatten und Veranstaltungen können heute digital protokolliert und in Text, Ton sowie Bild ins Internet gestellt werden.

«Für die grossen Medienhäuser wird Multimedialität zu einem unverzichtbaren Faktor im Nachrichtengeschäft.»

Samstag, Februar 10, 2007

Die Kaufzeitung hat Zukunft


Das gedruckte Wort in Form der «Qualitätszeitung» hat eine lange, bewährte Tradition. Frühere Generationen haben ihr Leibblatt als primäre Nachrichtenlieferantin, Meinungsführerin und Werbeträgerin genutzt. Heute indes werden diese Aufgaben auch von anderen Medien wahrgenommen.

Zusätzlich zum etablierten Radio und TV liefern digitales Radio, Internet-Fernsehen, das Internet generell sowie Pendlerzeitungen Informationen aktuell und meistens gratis auf den Computermonitor. Die Folgen dieser Entwicklung machen rund um den Globus fast allen Kaufzeitungen zu schaffen. Leser- wie Inseratemärkte leiden unter der Abwanderung, die mit grossen finanziellen Einbussen verbunden ist. Sparprogramme und Kooperationen sind deshalb bei den Verlagen an der Tagesordnung. Die publizistischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Presse haben sich grundlegend verändert.

Dennoch besteht Hoffnung. Trotz der Strukturkrise ist die moderne Tageszeitung nicht tot. Sie hat Zukunft, wenn sie sich anpasst und auf die neuen Herausforderungen reagiert.
Punkt 1. Es ist heute eine Tatsache, dass Nachrichtenjournalismus zu einem klassischen Online-Geschäft geworden ist. «Breaking News» lese ich auf einer Website im Internet, beispielsweise auf www.baz.ch, oder ich erhalte am Abend in der Tagesschau eine Zusammenfassung. In der gedruckten baz sind simple Nachrichten ohne Mehrwert für eine Mehrheit der Leserinnen und Leser «Schnee von gestern». «Online first» muss deshalb die Verlagsdevise lauten.

Punkt 2. Statt Fakten zu transportieren, muss die gedruckte Zeitung stärker als bisher analysieren, kommentieren, reflektieren und einordnen. Gefragt sind Qualität, Intelligenz und Glaubwürdigkeit. Kritische Interviews, lebendige Reportagen und kluge Leitartikel rechtfertigen ein kostenpflichtiges Abonnement. Für Kurznachrichten oder einfache Berichte zahle ich keinen Rappen mehr, weil ich sie anderswo gratis kriege.

Punkt 3. Lokaljournalismus bietet die Chance, die Alltagssorgen der Leserschaft zu erkennen, zu beschreiben und bei der Lösungssuche zu helfen. Die moderne Tageszeitung muss deshalb näher ans Publikum ran, ihm auf den Puls fühlen und der Bevölkerung eine Stimme geben. Leserinnen und Leser wollen ernst genommen werden, mitreden und ihr Leibblatt mitgestalten. Last but not least muss sich eine Kaufzeitung täglich über Mehrwert und Service unersetzlich machen.
Die gedruckte Zeitung hat eine Zukunft, wenn sie die Synergien der multimedialen Welt nutzt und sich weiterentwickelt.

Die Kaufzeitung hat Zukunft


Das gedruckte Wort in Form der «Qualitätszeitung» hat eine lange, bewährte Tradition. Frühere Generationen haben ihr Leibblatt als primäre Nachrichtenlieferantin, Meinungsführerin und Werbeträgerin genutzt. Heute indes werden diese Aufgaben auch von anderen Medien wahrgenommen.

Zusätzlich zum etablierten Radio und TV liefern digitales Radio, Internet-Fernsehen, das Internet generell sowie Pendlerzeitungen Informationen aktuell und meistens gratis auf den Computermonitor. Die Folgen dieser Entwicklung machen rund um den Globus fast allen Kaufzeitungen zu schaffen. Leser- wie Inseratemärkte leiden unter der Abwanderung, die mit grossen finanziellen Einbussen verbunden ist. Sparprogramme und Kooperationen sind deshalb bei den Verlagen an der Tagesordnung. Die publizistischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Presse haben sich grundlegend verändert.

Dennoch besteht Hoffnung. Trotz der Strukturkrise ist die moderne Tageszeitung nicht tot. Sie hat Zukunft, wenn sie sich anpasst und auf die neuen Herausforderungen reagiert.
Punkt 1. Es ist heute eine Tatsache, dass Nachrichtenjournalismus zu einem klassischen Online-Geschäft geworden ist. «Breaking News» lese ich auf einer Website im Internet, beispielsweise auf www.baz.ch, oder ich erhalte am Abend in der Tagesschau eine Zusammenfassung. In der gedruckten baz sind simple Nachrichten ohne Mehrwert für eine Mehrheit der Leserinnen und Leser «Schnee von gestern». «Online first» muss deshalb die Verlagsdevise lauten.

Punkt 2. Statt Fakten zu transportieren, muss die gedruckte Zeitung stärker als bisher analysieren, kommentieren, reflektieren und einordnen. Gefragt sind Qualität, Intelligenz und Glaubwürdigkeit. Kritische Interviews, lebendige Reportagen und kluge Leitartikel rechtfertigen ein kostenpflichtiges Abonnement. Für Kurznachrichten oder einfache Berichte zahle ich keinen Rappen mehr, weil ich sie anderswo gratis kriege.

Punkt 3. Lokaljournalismus bietet die Chance, die Alltagssorgen der Leserschaft zu erkennen, zu beschreiben und bei der Lösungssuche zu helfen. Die moderne Tageszeitung muss deshalb näher ans Publikum ran, ihm auf den Puls fühlen und der Bevölkerung eine Stimme geben. Leserinnen und Leser wollen ernst genommen werden, mitreden und ihr Leibblatt mitgestalten. Last but not least muss sich eine Kaufzeitung täglich über Mehrwert und Service unersetzlich machen.
Die gedruckte Zeitung hat eine Zukunft, wenn sie die Synergien der multimedialen Welt nutzt und sich weiterentwickelt.

Dienstag, Februar 06, 2007

Eine Lanze für die Randsportart Baseball


Zugegeben: Nach fünf Jahren USA bin ich Baseball-Geschädigt. Im Traum begegnet mir Mark McGuire, der im St.-Jakob-Park einen Home Run über die Tribüne schlägt. Am Schreibtisch erscheint mir Cal Ripken, der erfolgreiche Third-Baseman der Baltimore Orioles. Beim Mittagessen denke ich an Samy Sosa und Chuck Knoblauch. Selbst der für seine Zornausbrüche bekannte Roberto Alomar erscheint mir sympathisch.

Zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Amerika leide ich unter akuten Entzugserscheinungen. Da kommen die Olympischen Sommerspiele gerade recht: Anders als 1984 und 1988 ist Baseball in diesem Jahr nicht nur Demonstrationssportart, sondern eine echte olympische Wettkampfdisziplin. Das US-Team habe sich viel vorgenommen: Es strebe nach der Goldmedaille, lese ich in «USA Today». Da darf man die eine oder andere TV-Übertragung erwarten, hoffe ich.

Weit gefehlt. Carmen, die Junioren-Trainerin der Therwil Flyers, warnt mich. Weil Randsportarten bei Olympischen Spielen nicht zählen, werde man auf den hiesigen Kanälen kein Baseball zu sehen bekommen, meint sie pessimistisch.

Wie recht sie doch hat. Weder auf dem helvetischen noch auf dem deutschen, auch nicht auf dem französischen Sender, und schon gar nicht auf BBC oder Telebasel fliegen die weissen Bälle. Selbst auf NBC oder CNN ist der amerikanische Nationalsport derzeit ein Fremdwort. Keine Home Runs, keine Grounders, keine Popflies, keine RBIs. Nur stetig wiederkehrende TV-Spots für das E-Banking.

Deshalb mein Hilferuf an die Fernsehverantwortlichen: Habt Erbarmen. Zeigt uns in der nächsten Woche wenigstens eine Zusammenfassung der Halbfinals oder einen Zusammenschnitt der Baseball-Medaillenspiele. Die stundenlangen Fecht-, Schwimm- und Kajak-Übertragungen wären dann leichter zu ertragen. Und die Angewöhnung an die Schweiz auch. Zeigt uns die Japaner, die Kubaner, die Italiener, die Amerikaner. Zeigt uns die olympischen Pitcher, Batter, Catcher und Runner. Vielleicht käme dann das Schweizer Publikum auf den Geschmack, würde mit den Regeln einer «intelligenten Randsportart» vertraut, und Baseball könnte hierzulande Wurzeln schlagen wie vor vier Jahren «Soccer» in den USA.

«No chance, dass dein Wunsch in Erfüllung geht», meint der Sportredaktor. - Na ja. Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als weiter von Mark McGuire sowie Cal Ripken zu träumen und mich an meine Entzugserscheinungen zu gewöhnen.

* ps. arbeitet für BaZ-Online und bringt die aktuellen Olympia-News ins Internet. War bis vor zwei Monaten USA-Korrespondent der Basler Zeitung. Sportliche Erfolge: morgendlicher Spurt aufs Tram, samstägliche Velofahrt mit der Tochter an die Birs, sonntäglicher Support für den Baseball-verrückten Sohn.

Eine Lanze für die Randsportart Baseball


Zugegeben: Nach fünf Jahren USA bin ich Baseball-Geschädigt. Im Traum begegnet mir Mark McGuire, der im St.-Jakob-Park einen Home Run über die Tribüne schlägt. Am Schreibtisch erscheint mir Cal Ripken, der erfolgreiche Third-Baseman der Baltimore Orioles. Beim Mittagessen denke ich an Samy Sosa und Chuck Knoblauch. Selbst der für seine Zornausbrüche bekannte Roberto Alomar erscheint mir sympathisch.

Zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Amerika leide ich unter akuten Entzugserscheinungen. Da kommen die Olympischen Sommerspiele gerade recht: Anders als 1984 und 1988 ist Baseball in diesem Jahr nicht nur Demonstrationssportart, sondern eine echte olympische Wettkampfdisziplin. Das US-Team habe sich viel vorgenommen: Es strebe nach der Goldmedaille, lese ich in «USA Today». Da darf man die eine oder andere TV-Übertragung erwarten, hoffe ich.

Weit gefehlt. Carmen, die Junioren-Trainerin der Therwil Flyers, warnt mich. Weil Randsportarten bei Olympischen Spielen nicht zählen, werde man auf den hiesigen Kanälen kein Baseball zu sehen bekommen, meint sie pessimistisch.

Wie recht sie doch hat. Weder auf dem helvetischen noch auf dem deutschen, auch nicht auf dem französischen Sender, und schon gar nicht auf BBC oder Telebasel fliegen die weissen Bälle. Selbst auf NBC oder CNN ist der amerikanische Nationalsport derzeit ein Fremdwort. Keine Home Runs, keine Grounders, keine Popflies, keine RBIs. Nur stetig wiederkehrende TV-Spots für das E-Banking.

Deshalb mein Hilferuf an die Fernsehverantwortlichen: Habt Erbarmen. Zeigt uns in der nächsten Woche wenigstens eine Zusammenfassung der Halbfinals oder einen Zusammenschnitt der Baseball-Medaillenspiele. Die stundenlangen Fecht-, Schwimm- und Kajak-Übertragungen wären dann leichter zu ertragen. Und die Angewöhnung an die Schweiz auch. Zeigt uns die Japaner, die Kubaner, die Italiener, die Amerikaner. Zeigt uns die olympischen Pitcher, Batter, Catcher und Runner. Vielleicht käme dann das Schweizer Publikum auf den Geschmack, würde mit den Regeln einer «intelligenten Randsportart» vertraut, und Baseball könnte hierzulande Wurzeln schlagen wie vor vier Jahren «Soccer» in den USA.

«No chance, dass dein Wunsch in Erfüllung geht», meint der Sportredaktor. - Na ja. Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als weiter von Mark McGuire sowie Cal Ripken zu träumen und mich an meine Entzugserscheinungen zu gewöhnen.

* ps. arbeitet für BaZ-Online und bringt die aktuellen Olympia-News ins Internet. War bis vor zwei Monaten USA-Korrespondent der Basler Zeitung. Sportliche Erfolge: morgendlicher Spurt aufs Tram, samstägliche Velofahrt mit der Tochter an die Birs, sonntäglicher Support für den Baseball-verrückten Sohn.

Donnerstag, Februar 01, 2007

Von Basel über Berlin, New York nach Las Vegas


Die Karriere des Daniel Habegger, der als Black-Jack-Dealer und Künstler in der Luxus-Wüste lebt und dort von Elvis schwärmt und tagsüber Bilder malt und nachts Trinkgelder kassiert und sich seine Gedanken zum Prinzip Verschwendung macht.

Man möge bitte nicht vor zehn Uhr morgens anrufen, lautet der Wunsch. Zwischen 14 Uhr und 18 Uhr aber sei er gerne zu einem Gespräch bereit; nachher müsse er «zur Arbeit», sagt Daniel Habegger am Telefon. Als wir dem geborenen Basler unter seiner von Palmen umsäumten Haustür in Henderson, einem Vorort von Las Vegas, gegenüberstehen, klärt sich das Rätsel: Der Künstler malt tagsüber zu Hause und arbeitet nachts als Croupier oder Black-Jack-Dealer im «Golden-Nugget»-Casino.

Der 41-Jährige bezeichnet seine ungewöhnliche Arbeitszeit als «ideale Kombination»: Wenn er morgens um 10 Uhr aufsteht, ist er ausgeruht für seine «Leidenschaft», die Kunst. Abends, wenn seine Nachbarn aus dem Büro nach Hause kommen, stürzt sich Daniel Habegger in die «Dealer-Kluft» und fährt nach «Downtown» zum «Gambling». Auf dem Gilet prangt ein Schweizer-Kreuz-Pin; das Namensschild verrät: «Basel, Switzerland».

Für Habegger ist Las Vegas nicht unbedingt eine Stadt des Glitters, sondern eine «Grenzerfahrung zwischen Luxus und Selbstbeschränkung». Er sieht die Metropole «erfüllt von der emanativen Präsenz Elvis Presleys», der ein zentrales Element in seinem Schaffen bildet. Den Künstler interessiert der Kontrast zwischen dem privaten Abbild des Sängers und dessen Legende, dem öffentlichen Image: «Jedermann kann etwas über Elvis Presley sagen, aber niemand kennt ihn», behauptet der Schweizer.

Elvis und die Kunst

Habeggers Verbundenheit mit dem Rock-and-Roll-König geht auf einen einzigartigen biografischen Vorfall zurück: 1991 hatte er im Zusammenhang mit einem Unfall eine «Near-death»-Erfahrung, in der Elvis eine zentrale Rolle spielte. Diese Erfahrung hat Habeggers ganzes Leben verändert. «Die Realität ist immer kodiert, oft nur ein Klischee unserer Einbildung», weiss er seither. Bilder, die sich verselbstständigen und die Fantasie nachahmen, interessieren ihn. «Ich bin kein Romantiker, kein Maler schöner Landschaften oder idyllischer Tierbilder», präzisiert er. Näher als die Naturalisten liegen ihm Joseph Beuys, Gerhard Richter, der frühe Frank Stella sowie James Rosenquist.

Eines seiner Bilder zeigt Elvis Presley, der gerade eine Blondine (Marilyn Monroe?) küsst; auf anderen Werken sind die Vorfahrt zum «Graceland»-Refugium, eine Backsteinmauer und das gerasterte Knie eines Baseball-Spielers zu sehen.

«Las Vegas ist eine Stadt ‹sui generis›», findet der Künstler, «die Westachse von Babylon». Und warum arbeitet er ausgerechnet hier? Die Stadt fasziniert ihn, zieht ihn magisch an: «Las Vegas zelebriert das Prinzip der Verschwendung. Hier kann ich leben wie ein König», erklärt er. In den Palästen, Hotelfassaden, Leuchtreklamen, Wasserspielen und vergnügungssüchtigen Menschen spiegelt sich das Thema seiner Kunst wider: Privater Raum wird öffentlich; Fiktion und Realität stehen in einem Spannungsverhältnis.

Biografie


Daniel Habegger wurde 1958 in Basel geboren. Nach dem Familienumzug nach Therwil, wo seine Eltern noch heute leben, besuchte er das Gymnasium. Unter Lenz Klotz, Werner Jehle und Robert Stoll ging er an die Kunstgewerbeschule und liess sich zum Zeichenlehrer ausbilden. Zwischen 1984 und 1994 war er in Berlin zuerst Student und dann Dozent an der Hochschule der Künste. Doch die deutsche Wiedervereinigung trieb die Wohn- und Ateliermieten in unermessliche Höhen. So sah sich der Schweizer 1994 gezwungen, nach New York auszuwandern. Am «Institute for Contemporary Art» genoss er ein PSI-Stipendium und arbeitete im eigenen Atelier am Times Square. Als ihm auch dieser Raum gekündigt wurde, entschied er sich für Las Vegas.

«Mich zog es schon immer in die Wüste», erinnert er sich. und ein Blick in den Vorgarten zeigt, dass der Künstler mit der Wüste und deren Unwirtlichkeit sehr bewusst lebt: Zu den vorhandenen Palmen seines Anwesens hat er nur einheimische Pflanzen gekauft und die Sprinkleranlage durch ein umweltschonendes Tropfbewässerungssystem ersetzt. Über Düsen und Ventile gelingt es ihm, jede einzelne Wurzel separat zu bewässern. Die Wasserersparnisse dieser Umstellung waren enorm.

Trotz des trocken-heissen Klimas und dem Wunsch, Amerikaner zu werden, bleibt Habegger der Schweiz und der Rheinmetropole verbunden. Basel sei für ihn «ein Glücksfall» gewesen: Die Ausstellungen in der Galerie Beye-ler, im Kunstmuseum (um die Person Dieter Koepplins) und in der Kunsthalle hätten ihn «zur Kunst gebracht».

Die Kunst und die Wüste

In Las Vegas faszinieren ihn ausser der Wüste vor allem die Menschen. «Wahnsinnige Begegnungen» mache er fast jede Nacht, erzählt er. Touristen des oberen Mittelstandes, Künstler, Schauspieler und Cowboys gehörten am Roulette-Tisch bis vier Uhr morgens zu seinen Kunden. Dass er selber witzig und unterhaltend wirkt, obwohl ihm nicht immer danach ist, liegt in seinem eigenen Interesse: 95 Prozent der Tageseinnahmen eines Dealers stammen aus Trinkgeldern.

Der Besuch im «Golden-Nugget»-Casino erinnert uns an ein Vorgespräch zu einem Kunstkauf. Habegger stimmt zu: Der Kunsthandel habe durchaus Parallelen zum Gambling. Kunsthändler wie Beyeler und Bischofberger seien «Royal Flushes» im Kunst-Poker. In Las Vegas übt Steve Wynn diese Funktion aus: Dessen «erstes Haus», das «Golden Nugget», war lange Zeit die «Cash-cow» für das Gesamtunternehmen «Mirage Resorts».

Glücklicherweise sei er Black-Jack-Dealer und nicht Kunst-Dealer geworden, bemerkt Habegger zum Schluss und verschwindet im Gedränge des funkelnden Casino-Saals.

Von Peter Schibli, Las Vegas

Von Basel über Berlin, New York nach Las Vegas


Die Karriere des Daniel Habegger, der als Black-Jack-Dealer und Künstler in der Luxus-Wüste lebt und dort von Elvis schwärmt und tagsüber Bilder malt und nachts Trinkgelder kassiert und sich seine Gedanken zum Prinzip Verschwendung macht.

Man möge bitte nicht vor zehn Uhr morgens anrufen, lautet der Wunsch. Zwischen 14 Uhr und 18 Uhr aber sei er gerne zu einem Gespräch bereit; nachher müsse er «zur Arbeit», sagt Daniel Habegger am Telefon. Als wir dem geborenen Basler unter seiner von Palmen umsäumten Haustür in Henderson, einem Vorort von Las Vegas, gegenüberstehen, klärt sich das Rätsel: Der Künstler malt tagsüber zu Hause und arbeitet nachts als Croupier oder Black-Jack-Dealer im «Golden-Nugget»-Casino.

Der 41-Jährige bezeichnet seine ungewöhnliche Arbeitszeit als «ideale Kombination»: Wenn er morgens um 10 Uhr aufsteht, ist er ausgeruht für seine «Leidenschaft», die Kunst. Abends, wenn seine Nachbarn aus dem Büro nach Hause kommen, stürzt sich Daniel Habegger in die «Dealer-Kluft» und fährt nach «Downtown» zum «Gambling». Auf dem Gilet prangt ein Schweizer-Kreuz-Pin; das Namensschild verrät: «Basel, Switzerland».

Für Habegger ist Las Vegas nicht unbedingt eine Stadt des Glitters, sondern eine «Grenzerfahrung zwischen Luxus und Selbstbeschränkung». Er sieht die Metropole «erfüllt von der emanativen Präsenz Elvis Presleys», der ein zentrales Element in seinem Schaffen bildet. Den Künstler interessiert der Kontrast zwischen dem privaten Abbild des Sängers und dessen Legende, dem öffentlichen Image: «Jedermann kann etwas über Elvis Presley sagen, aber niemand kennt ihn», behauptet der Schweizer.

Elvis und die Kunst

Habeggers Verbundenheit mit dem Rock-and-Roll-König geht auf einen einzigartigen biografischen Vorfall zurück: 1991 hatte er im Zusammenhang mit einem Unfall eine «Near-death»-Erfahrung, in der Elvis eine zentrale Rolle spielte. Diese Erfahrung hat Habeggers ganzes Leben verändert. «Die Realität ist immer kodiert, oft nur ein Klischee unserer Einbildung», weiss er seither. Bilder, die sich verselbstständigen und die Fantasie nachahmen, interessieren ihn. «Ich bin kein Romantiker, kein Maler schöner Landschaften oder idyllischer Tierbilder», präzisiert er. Näher als die Naturalisten liegen ihm Joseph Beuys, Gerhard Richter, der frühe Frank Stella sowie James Rosenquist.

Eines seiner Bilder zeigt Elvis Presley, der gerade eine Blondine (Marilyn Monroe?) küsst; auf anderen Werken sind die Vorfahrt zum «Graceland»-Refugium, eine Backsteinmauer und das gerasterte Knie eines Baseball-Spielers zu sehen.

«Las Vegas ist eine Stadt ‹sui generis›», findet der Künstler, «die Westachse von Babylon». Und warum arbeitet er ausgerechnet hier? Die Stadt fasziniert ihn, zieht ihn magisch an: «Las Vegas zelebriert das Prinzip der Verschwendung. Hier kann ich leben wie ein König», erklärt er. In den Palästen, Hotelfassaden, Leuchtreklamen, Wasserspielen und vergnügungssüchtigen Menschen spiegelt sich das Thema seiner Kunst wider: Privater Raum wird öffentlich; Fiktion und Realität stehen in einem Spannungsverhältnis.

Biografie


Daniel Habegger wurde 1958 in Basel geboren. Nach dem Familienumzug nach Therwil, wo seine Eltern noch heute leben, besuchte er das Gymnasium. Unter Lenz Klotz, Werner Jehle und Robert Stoll ging er an die Kunstgewerbeschule und liess sich zum Zeichenlehrer ausbilden. Zwischen 1984 und 1994 war er in Berlin zuerst Student und dann Dozent an der Hochschule der Künste. Doch die deutsche Wiedervereinigung trieb die Wohn- und Ateliermieten in unermessliche Höhen. So sah sich der Schweizer 1994 gezwungen, nach New York auszuwandern. Am «Institute for Contemporary Art» genoss er ein PSI-Stipendium und arbeitete im eigenen Atelier am Times Square. Als ihm auch dieser Raum gekündigt wurde, entschied er sich für Las Vegas.

«Mich zog es schon immer in die Wüste», erinnert er sich. und ein Blick in den Vorgarten zeigt, dass der Künstler mit der Wüste und deren Unwirtlichkeit sehr bewusst lebt: Zu den vorhandenen Palmen seines Anwesens hat er nur einheimische Pflanzen gekauft und die Sprinkleranlage durch ein umweltschonendes Tropfbewässerungssystem ersetzt. Über Düsen und Ventile gelingt es ihm, jede einzelne Wurzel separat zu bewässern. Die Wasserersparnisse dieser Umstellung waren enorm.

Trotz des trocken-heissen Klimas und dem Wunsch, Amerikaner zu werden, bleibt Habegger der Schweiz und der Rheinmetropole verbunden. Basel sei für ihn «ein Glücksfall» gewesen: Die Ausstellungen in der Galerie Beye-ler, im Kunstmuseum (um die Person Dieter Koepplins) und in der Kunsthalle hätten ihn «zur Kunst gebracht».

Die Kunst und die Wüste

In Las Vegas faszinieren ihn ausser der Wüste vor allem die Menschen. «Wahnsinnige Begegnungen» mache er fast jede Nacht, erzählt er. Touristen des oberen Mittelstandes, Künstler, Schauspieler und Cowboys gehörten am Roulette-Tisch bis vier Uhr morgens zu seinen Kunden. Dass er selber witzig und unterhaltend wirkt, obwohl ihm nicht immer danach ist, liegt in seinem eigenen Interesse: 95 Prozent der Tageseinnahmen eines Dealers stammen aus Trinkgeldern.

Der Besuch im «Golden-Nugget»-Casino erinnert uns an ein Vorgespräch zu einem Kunstkauf. Habegger stimmt zu: Der Kunsthandel habe durchaus Parallelen zum Gambling. Kunsthändler wie Beyeler und Bischofberger seien «Royal Flushes» im Kunst-Poker. In Las Vegas übt Steve Wynn diese Funktion aus: Dessen «erstes Haus», das «Golden Nugget», war lange Zeit die «Cash-cow» für das Gesamtunternehmen «Mirage Resorts».

Glücklicherweise sei er Black-Jack-Dealer und nicht Kunst-Dealer geworden, bemerkt Habegger zum Schluss und verschwindet im Gedränge des funkelnden Casino-Saals.

Von Peter Schibli, Las Vegas