Sonntag, August 05, 2007

IM LEBEN UND ÜBER DAS LEBEN HINAUS


Film von Peter von Gunten: Im 16. Jahrhundert entstand als Teil der evangelischen Reformation der ersten Stunde die Bewegung der Täufer. Dem Reformator Ulrich Zwingli gelang es 1523, Zürich für die Reformation zu gewinnen. Er wandte sich von seinen taufgesinnten Freunden ab und unterstützte die religiöse Diskriminierung der Täuferbewegung. Bald danach wurden in Zürich die ersten Todesurteile gegen Täufer vollstreckt.
In ganz Europa wurden nun in reformierten wie in katholischen Gebieten, rund dreihundert Jahre lang, Täufer verfolgt, eingesperrt, gefoltert, hingerichtet. Besonders gründlich und hartnäckig wurde dies auch in der Schweiz im Staate Bern ausgeübt.

Bis zur Einführung eines Zivildienstes wurden noch im Jahr 1997 in der Schweiz Täufer wegen Militärdienst Verweigerung für mehrere Monate mit Gefängnis bestraft.

Der Film Im Leben und über das Leben hinaus / Ici-bas, au-delà zeigt Taufgesinnte, die heute in der Evangelischen Mennonitengemeinde Sonnenberg im Schweizer Jura, Mennonites und Amish schweizerischer Herkunft, die in Berne, Adams County Indiana, in den USA leben.

Alle diese Gemeinden leben nach den wichtigsten Grundsätzen der Täufer: Leben nach der Bibel und in der Nachfolge Jesus Christus, Praktizieren der Erwachsenentaufe, Bekenntnis zu gewaltfreiem Leben, Trennung von Religion und Staat, Verpflichtung zu einem bescheidenem Leben.

Autor und Regisseur Peter von Gunten zeigt die unterschiedliche Handhabung von grundsätzlich gleichen religiösen Vorstellungen. Er präsentiert uns, wie die Gemeinschaften ihre religiöse Freiheit in der Schweiz und in den USA wahrnehmen können, welches Verhältnis sie zur Religionsfreiheit im allgemeinen haben und wie sie damit umgehen. Der Film geht der Frage nach, wie dieses Recht auch im individuellen Bereich anerkannt und interpretiert, möglicher-weise eingeengt und verletzt wird.

Der Autor verzichtet ganz auf einen Kommentar. Die dargestellten Mitglieder der Gemeinden geben den Aussen- stehenden die Möglichkeit, unmittelbar an ihrem religiösen, kulturellen und alltäglichen Leben teilzunehmen.

In der Unterweisung der Jugendlichen vor der Taufe bis zum Tag ihrer Taufe, der Gemeindediskussion über Form und Sinn der Taufe, in der Beschäftigung mit der Frage des persönlichen Taufbekenntnisses, gewinnen wir einen direktesten Einblick ins alltägliche Leben der Mitglieder der Evangelischen Mennonitengemeinde Sonnenberg.

Trotz der vollständigen Integration der Mennonites von Berne, Indiana, ins amerikanische Leben spüren wir, wie schmerzlich ihre mehr oder weniger freiwillige Auswanderung Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Schweiz in die USA für sie gewesen sein muss. Dies zeigt sich in der noch jeden Tag praktizierten kulturellen Verbundenheit mit ihrer Heimat. Bei den Mennoniten gepflegt in einem traditionellen Bild der Folklore und ihrer praktizierten Schweizer Eigenart, wie auch in der starken Beschäftigung mit ihrer Abstammung, ihren Vorfahren und deren örtlichen Herkunft. Der Film lässt uns auch den Zwiespalt gegenüber der Regierung Bush erahnen, in dem sich die der Gewaltfreiheit verpflichtet fühlenden Mennonites heute befinden.

Bei den Amish offenbart sich die Verbundenheit mit ihrer Herkunft in jedem Bereich ihres Alltags, in ihren traditio-nellen, melancholisch religiösen Gesängen, in der Verbundenheit mit ihrer schweizerdeutschen Sprache, den Schweizer Volksliedern und in ihren religiösen Vorstellungen, die sich eng an die Gesetze aus dem 17. Jahrhundert von Jakob Ammann halten, einem konservativen Schweizer Täufer aus dem Berner Oberland (die 'Ammannschen' = Amish).

Der Film Im Leben und über das Leben hinaus / Ici-bas, au-delà macht mit seiner behutsamen Annäherung an diese Täufergemeinden deutlich, dass der Respekt und das Verstehen des Anderen die Basis zur Einhaltung der in unserer Verfassung wie auch in der UNO Menschenrechtskonvention verankerten Grundsätze der Religionsfreiheit bilden. Er zeigt Menschen, die dazu beitragen können, das Verständnis für religiöse Minderheiten zu fördern oder zu bewahren oder Vorurteile abzubauen.

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