Dienstag, April 17, 2007

Chez Emil (2)


Vor 17 Jahren habe ich in der Basler Zeitung eine Kolumne unter dem Titel "Chez Emil" geschrieben. Sie handelt von einem Auslandschweizer, Emil Vonesch, der in Friesdorf bei Bonn einen Imbiss-Stand führt. Heute habe ich Emil wieder besucht. Deshalb der Titel "Emil - Teil 2".

Nein, ein Gourmet-Lokal ist der Bonanza-Grill nicht. Man bekommt keine fein zubereiteten Häppchen, sondern Pommes mit Majo, Curry-Wurst oder überbackenen Fleischkäse. Zu Frühstück gibts im Fett schwimmende Spiegeleier. Hinter der Theke (Foto) steht der 68-jährige Emil und murmelt etwas vor sich hin.

Natürlich hat er sich gefreut, als er mich sah. Marcel D. hatte mich angekündigt. Emil, ein ehemaliger Luzerner, der in Flamatt (FR) eine Bäckerei betrieben und die besten Kirschtorten weit und breit hergestellt hatte, musste in den siebziger Jahren nach einem Sense-Hochwasser ausziehen. Sein Betrieb war nicht ausreichend versichert, seine Ehe offensichtlich am Ende. So "floh" Emil nach Bonn und blieb dort hängen.

Mein Eindruck: Emil ist trotz den Jahren und gefärbten Haaren der alte geblieben: ein liebenswürdiger Polterer, der zuerst klagt, schimpft und von der Krise erzählt, dann aber auftaut.

Dutzende von Betrieben in seinem Umfeld mussten schliessen, berichtet er. Entsprechend sei auch die Zahl seiner Kunden zurückgegangen. Dass sich in der Strasse neue Betreibe, u.a. ein "Obi" niedergelassen haben, übersieht Emil schweigend. Dennoch: Die neuen Angestellten müssen auch irgendwo essen, aber offenbar schmeckt ihnen der "Bonanza-Frass" nicht. Weshalb er sein Angebot nicht den Kunden anpasst, weiss Emil nicht. Vielleicht kann er es nicht. Flexibilität war nie seine Stärke.

Nach dem einleitenden Poltern und Klagen lacht er und macht Witze. Emil, wie er leibt und lebt. Vermutlich ist er noch nicht reif für eine endgültige Pensionierung, denn die magere AHV reicht nirgendwohin. Und die neue Partnerin stellt sicherlich auch ihre Ansprüche. Deshalb wird es den Bonanza-Grill vermutlich solange geben, bis der "Liebe Gott" Emil den Kochlöffel aus der Hand nimmt.

P.S. Eine Wurst und Pommes habe ich bei meinem Freund gegessen. Und den Geschmack anschliessend mit Marcel beim Italiener mit einem Espresso runtergespült.

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