Dienstag, Februar 06, 2007

Eine Lanze für die Randsportart Baseball


Zugegeben: Nach fünf Jahren USA bin ich Baseball-Geschädigt. Im Traum begegnet mir Mark McGuire, der im St.-Jakob-Park einen Home Run über die Tribüne schlägt. Am Schreibtisch erscheint mir Cal Ripken, der erfolgreiche Third-Baseman der Baltimore Orioles. Beim Mittagessen denke ich an Samy Sosa und Chuck Knoblauch. Selbst der für seine Zornausbrüche bekannte Roberto Alomar erscheint mir sympathisch.

Zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Amerika leide ich unter akuten Entzugserscheinungen. Da kommen die Olympischen Sommerspiele gerade recht: Anders als 1984 und 1988 ist Baseball in diesem Jahr nicht nur Demonstrationssportart, sondern eine echte olympische Wettkampfdisziplin. Das US-Team habe sich viel vorgenommen: Es strebe nach der Goldmedaille, lese ich in «USA Today». Da darf man die eine oder andere TV-Übertragung erwarten, hoffe ich.

Weit gefehlt. Carmen, die Junioren-Trainerin der Therwil Flyers, warnt mich. Weil Randsportarten bei Olympischen Spielen nicht zählen, werde man auf den hiesigen Kanälen kein Baseball zu sehen bekommen, meint sie pessimistisch.

Wie recht sie doch hat. Weder auf dem helvetischen noch auf dem deutschen, auch nicht auf dem französischen Sender, und schon gar nicht auf BBC oder Telebasel fliegen die weissen Bälle. Selbst auf NBC oder CNN ist der amerikanische Nationalsport derzeit ein Fremdwort. Keine Home Runs, keine Grounders, keine Popflies, keine RBIs. Nur stetig wiederkehrende TV-Spots für das E-Banking.

Deshalb mein Hilferuf an die Fernsehverantwortlichen: Habt Erbarmen. Zeigt uns in der nächsten Woche wenigstens eine Zusammenfassung der Halbfinals oder einen Zusammenschnitt der Baseball-Medaillenspiele. Die stundenlangen Fecht-, Schwimm- und Kajak-Übertragungen wären dann leichter zu ertragen. Und die Angewöhnung an die Schweiz auch. Zeigt uns die Japaner, die Kubaner, die Italiener, die Amerikaner. Zeigt uns die olympischen Pitcher, Batter, Catcher und Runner. Vielleicht käme dann das Schweizer Publikum auf den Geschmack, würde mit den Regeln einer «intelligenten Randsportart» vertraut, und Baseball könnte hierzulande Wurzeln schlagen wie vor vier Jahren «Soccer» in den USA.

«No chance, dass dein Wunsch in Erfüllung geht», meint der Sportredaktor. - Na ja. Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als weiter von Mark McGuire sowie Cal Ripken zu träumen und mich an meine Entzugserscheinungen zu gewöhnen.

* ps. arbeitet für BaZ-Online und bringt die aktuellen Olympia-News ins Internet. War bis vor zwei Monaten USA-Korrespondent der Basler Zeitung. Sportliche Erfolge: morgendlicher Spurt aufs Tram, samstägliche Velofahrt mit der Tochter an die Birs, sonntäglicher Support für den Baseball-verrückten Sohn.

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