Sonntag, Januar 28, 2007

Wünschen ja, aber was?

«Es war einmal ein kleiner Stern, weit oben am Himmel. Dieser kleine Stern aber leuchtete nur ganz schwach. Er wünschte sich nichts mehr, als strahlen zu können wie die anderen …»

Die Geschichte vom kleinen Stern steht in der neusten Ausgabe der Weihnachtsbroschüre «più», herausgegeben vom Gross-verteiler Migros. - Richtig, es ist wieder so weit: Die Werbekataloge, die Auslagen in den Geschäften, der Lichterschmuck in der Innerstadt verkünden es: Die Adventszeit steht vor der Tür. Adventszeit ist Verkaufszeit. Und Adventszeit ist Wunschzeit.

Der kleine Stern hat es einfach. Er wünscht sich zu strahlen. Nicht mehr und nicht weniger. Was aber wünschen wir Menschen uns? Wir, die wir schon (fast) alles besitzen. Gesättigt von feinem Essen, modischen Klamotten, teurem Schmuck, überflüssiger Elektronik und sonstigem Schnickschnack. Was könnten wir uns zu Weihnachten wünschen?

Praktische Anhaltspunkte liefert ein «Wunschbuch» in derselben Broschüre:

«SIE wünscht sich eine Fitnessmatte, Cashmere-Handschuhe, einen Bügel-BH, eine Damensonnenbrille Uvex sowie ein Kneipp-Classic-Badeölset.»

«ER wünscht sich einen Lego-Racer-Ferrari 8674, eine elektrische Pfeffermühle, einen Messerblock mit Nyloneinsatz, einen SKS-Handkompressor und ein Kneipp-Massageöl.»

«DAS MÄDCHEN wünscht sich eine Prinzessin-Geneviève-Barbie-Puppe, eine Arielle-DVD, ein Fotoalbum, Schlittschuhe Ice Queen sowie eine Tasche mit Tieren.»

«DER JUNGE wünscht sich ein Nitro-Snowboard Revolt, einen Scott-Helm Shadow II, ein Roger-Federer-Junior-Racket, einen Radiorekorder Dual P41 und einen Rucksack Explorer.»

Woher weiss der Grossverteiler, was wir uns wünschen? Weil die Wirtschaft die Geschenke aufgrund von Modetrends und Umfragen extra fürs Weihnachtsgeschäft produziert hat. Da die meisten von uns das meiste bereits besitzen, ist die Gefahr gross, dass wir wählen, was die Auslagen und Wunschbücher anbieten. Und nicht, was wir tatsächlich begehren.

Weihnachtsvorbereitungen könnten entspannt ablaufen. Vorausgesetzt, wir haben genügend Zeit, unsere Wünsche zu formulieren und die wahren Wünsche unserer Lieben zu ergründen.

A propos «Zeit»: Fast allen Zeitgenossen fehlt Zeit: Zeit für sich selbst, Zeit fürs Gespräch, Zeit fürs Geniessen, Zeit für die Familie und für Freunde. - Weshalb wünschen wir uns nicht «Zeit» in Form von Zeitgutscheinen? «Ein Tag nur für dich.» Das wäre doch ein sinnvolles Geschenk in der hektischen Adventszeit.

baz vom 30.11.06

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