Montag, Januar 22, 2007

Wenn Fussball zum Toleranzfaktor wird

«König Fussball» sorgt für Schlagzeilen. Nicht nur wegen der WM. Unter dem Eindruck der FCB-Erfolge und in freudiger Erwartung der Euro 08 verzeichnen vor allem regionale Junioren-Mannschaften einen rasanten Zulauf. Die Entwicklung ist beachtlich: 1980 spielten in der Nordwestschweiz 243 Junioren-Teams; 1990 waren es 292 und 2005 explodierte die Zahl auf 563. Anfang 2006 besassen 8718 Junioren eine Lizenz.

Für viele Vereine ist diese Nachfrage nicht mehr verkraftbar. Es fehlt an Trainern und Anlagen. Mehrere Clubs haben deshalb Aufnahmestopps verhängt. Angesichts dieser unbefriedigenden Situation kam in diesem Frühling das Angebot des Baselbieter Sportamts gerade recht: Laut Beschluss des Regierungsrats von Baselland wurden 31 Gemeinden mit 37 Street-Soccer-Anlagen ausgerüstet. Für die Aktion standen 840 000 Franken aus dem Sportfonds zur Verfügung.

Street-Soccer ist eine Möglichkeit, Druck von den Vereinen zu nehmen und Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu bieten. Das 18,5 x 14,3 Meter grosse Spielfeld ist von Banden sowie einem Netz umgeben und benötigt kleinere Tore als im normalen Fussball. Gespielt wird in Miniteams - in der Regel vier gegen vier. Erforderlich sind Kondition, Ausdauer und technisches Geschick.

Konfliktstoff entstand im Baselbiet von dritter Seite: In mehreren Gemeinden zeigten sich Anwohner wenig erfreut über die Lärmimmissionen aus Street-Soccer-Anlagen. In Allschwil und Therwil wurden bei den Gemeindebehörden Klagen eingereicht. Therwil entfernte - sehr zum Leidwesen der Fussballer - die Banden und Netze kurzerhand und verstaute sie im Werkhof. Derzeit wird ein neuer Standort gesucht.

Die Leidtragenden sind einmal mehr die Jugendlichen, die warten müssen, bis ihre Anlage wieder steht. Die Frage ist deshalb legitim: Hat eine kleine Minderheit einiger geräuschempfindlicher Bürgerinnen und Bürger mehr Rechte als eine Vielzahl aktiver, lebenslustiger und halt etwas lärmiger Jugendlicher?

Alternativen zu radikalen Abbaumass-nahmen bestünden durchaus: Birsfelden und andere Gemeinden haben Nutzungsreglemente erlassen, die ein friedliches Nebeneinander von Anwohnern und Strassenfussballern ermöglichen. Kommunizierte sowie durchgesetzte Öffnungszeiten garantieren, dass nur zu bestimmten Zeiten gespielt wird.

Wenn sich Jugendliche sportlich betätigen, ist das gut für deren Gesundheit, für das Sozialverhalten und für die Gesellschaft ganz allgemein: Denn aktive Fussballer sind keine Krawallmacher.

baz vom 23.5.06

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