Sonntag, Januar 21, 2007

Wenn der Anstand schwindet

Drei Erlebnisse der vergangenen Tage geben mir zu denken:

Herr T. ruft auf der Redaktion an und beschwert sich in rüdem Ton, dass er von der baz «stumpfsinnige SMS» erhalte. Unseren Erklärungsversuch quittiert er mit einer unanständigen Bemerkung.

Im Coop-Laden beschimpft ein Kunde die junge Kassiererin, weil sie einen Fehler gemacht hat. Der Wortwechsel eskaliert. Es fällt der Ausdruck «unfähige Tussi».

Im Tram öffnet eine Frau wegen stickiger Luft ein Klappfenster. Ein älterer Herr knallt das Fenster wieder zu und rotzt: «Es zieht.» In der Folge entbrennt ein handfester Streit mit hässigen Nebengeräuschen.

Was ist nur mit unserer Gesellschaft los? Sind wir so reizbar geworden, dass wir immer sofort ausrufen, wenn uns etwas nicht in den Kram passt? Wo sind Verständnis, Toleranz und Respekt geblieben? Sind Anstand und Höflichkeit keine erstrebenswerten Tugenden mehr?

Der fortschreitende Sittenzerfall wird in vielen Lebensbereichen sichtbar: Im Sport sind emotionale Ausbrüche an der Tagesordnung. Politiker und Politwerber nehmen den Zweihänder in die Hand (siehe Moslem-Inserat). Am Arbeitsplatz wird gemobbt und schikaniert, was das Zeug hält. Das raue Arbeitsklima scheint auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen durchzuschlagen.

Diese Entwicklung ist bedauerlich. Angesichts so viel Anstandslosigkeit verdienen all jene einen Orden, die anständig bleiben und auch in hitzigen Situationen Respekt zeigen.

baz vom 28.9.2004

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