Sonntag, Januar 21, 2007

Ungerecht und irreversibel

Die Meldung kommt nicht überraschend: In den USA ist die Hautfarbe eines Verbrechensopfers für die Verurteilung des Täters entscheidend: Angeklagte, die im Bundesstaat Ohio wegen Mordes an einem weissen Opfer vor Gericht standen, wurden laut einer Studie mit einer doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit zum Tod verurteilt wie Mörder von Opfern mit dunkler Hautfarbe (www.baz.ch/humanrights).

Studiert man die Zahlen genau, könnte man meinen, Weisse seien mehr wert als Schwarze: Handelte es sich nämlich um ein weisses Opfer, wurde die Todesstrafe in 18 Prozent der Fälle ausgesprochen; war das Opfer farbig, gelangten die Geschworenen lediglich in 8,5 Prozent zu einem Todesurteil.

Jede Hinrichtung bleibt - unabhängig von der Hautfarbe des Opfers - unfair, rechtsstaatlich bedenklich und grausam. Hoffnung signalisiert die Tatsache, dass die Zahl der Todesurteile in den Vereinigten Staaten derzeit im Sinken begriffen ist: Im vergangenen Jahr wurden in den USA 144 Menschen zur Höchststrafe verurteilt. In den Jahren 1994/95 und 1996 waren es noch über 300.

Bürgerrechtler führen diese Entwicklung auf mehrere Faktoren zurück: Zum einen hat der Oberste Gerichtshof in Washington, der «Supreme Court», in zwei wegweisenden Urteilen die Exekution von behinderten und von minderjährigen Straftätern für verfassungswidrig erklärt. Zum anderen wurden in Illinois alle Todeskandidaten vom früheren Gouverneur, George Ryan, begnadigt.

Auch in anderen Bundesstaaten setzen sich Richter allmählich gegen «leidenschaftliche Konservative» durch: So ist in New York die Wiedereinführung der Todesstrafe vorläufig gescheitert. Das höchste New Yorker Gericht hatte Gouverneur Pataki einen Riegel geschoben. Ein klares Signal, dass auch an der Westküste umgedacht wird, lieferte die «Los Angeles Times»: In einem Leitartikel forderte die Zeitung kürzlich ein Moratorium für alle Exekutionen im «Golden State».

Populärer als bei Juristen ist die Todesstrafe beim Volk: Umfragen belegen, dass eine Mehrheit der Amerikaner Exekutionen befürwortet. 74 Prozent der von Gallup befragten Amerikanerinnen und Amerikaner halten die Todesstrafe bei Mord für angemessen.

Weil das Volk oft, aber nicht immer Recht hat, ist es gut, dass es Gerichte, Richter und Anwälte gibt, die den Volkswillen kritisch überprüfen und notfalls korrigierend eingreifen. Vor der Verfassung ist ein weisses Leben genau so viel wert wie ein schwarzes. Und: Die Todesstrafe ist in jedem Fall ungerecht sowie irreversibel.

baz vom 10.5.2005

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