Sonntag, Januar 21, 2007

Supermacht im Sicherheitswahn

Der Terroranschlag auf das World Trade Center (WTC) hat die Vereinigten Staaten verändert wie kein Ereignis seit dem amerikanischen Bürgerkrieg. Dies spürt, wer dieser Tage quer durch das «Land der Freiheit» reist.

Für die meisten Amerikaner sind die verschärften Kontrollen, die Bespitzelungs- und Beobachtungsmethoden, legitim. Kritische Fragen haben sie gelernt auszublenden. Nicht so die Fremden, denen die Unvollkommenheit des Sicherheitsregimes sofort ins Auge sticht.

Wer über einen internationalen Flughafen einreist, muss penible Fragen sowie ein Fingerabdruck- und Fotografierprozedere über sich ergehen lassen. US-Staatsbürger spazieren derweil an der enervierten Schlange vorbei und werden kaum kontrolliert. Als ob Terrorismus nur von Ausländern ausginge. Der «Unabomber» sowie der Oklahoma-Terrorist Timothy McVeigh lassen grüssen.

Auffallend locker sind die Einreisekontrollen für Weltenbummler, die auf dem Landweg einreisen. Zwar bilden sich auch an der mexikanisch-amerikanischen Grenze bei Tijuana lange Schlangen. Doch meinen Pass will der Immigrationsbeamte nicht sehen; Fotos und Fingerabdrücke nimmt er keine; sein Interesse gilt ausschliesslich der Frage, ob ich Zitrusfrüchte nach Kalifornien einführe. Dies ist nämlich strengstens verboten.

Auffallend präsent wirkt die Polizei auf den Strassen. Wer sich nicht US-konform verhält oder sich für ein spezielles Bauwerk interessiert, macht sich verdächtig. Nach einem Besuch am Imperial-Staudamm, einem lebenswichtigen Bewässerungssystem am Unterlauf des Colorado, heftet sich mir die Polizei an die Fersen, nachdem ich mich beim Pförtner nach einem Restaurant erkundigt habe, das es gar nicht gibt. Einige Minuten später kontrolliert mich der lokale Sheriff persönlich … und lässt mich nach einer 15-minütigen Kontrolle weiterziehen.

Im Visier haben die Fahnder mutmassliche Terroristen. Sicherheit auf den Strassen wird dagegen kaum thematisiert: Harley-Fahrer pflegen, ohne einen Schutzhelm zu tragen, durch Arizona zu rauschen. Hinter dem Steuer wird munter telefoniert, gegessen oder Kaffee geschlürft. Und halbautomatische Waffen samt Munition kann man in Phoenix ohne Waffenschein kaufen.

Bei all den täglichen Sicherheitsrisiken wirken die nach dem 11. September 2001 ergriffenen Überwachungsmass-nahmen ineffizient und dilettantisch. In Tat und Wahrheit sind sie eine gigantische Alibiübung, gaukeln den Amerikanern eine Sicherheit vor, die es gar nicht gibt, und schaden dadurch der Glaubwürdigkeit der Supermacht.

baz vom 29.3.2005

Keine Kommentare: