Montag, Januar 22, 2007

Schüler richten über Schüler

Der sächsische Justizminister Geert Mackenroth hat sich kürzlich für die Einrichtung von Schülergerichten stark gemacht: In solchen Gremien disziplinieren ausgewählte Jugendliche Gleichaltrige, die leichtere Straftaten oder Verstösse gegen die Schulordnung begangen haben. Was sich auf den ersten Blick als verspäteter Aprilscherz anhört, funktioniert in den USA sowie in Teilen Deutschlands seit mehreren Jahren.

Die Aufgabe von Schülergerichten besteht darin, 15- bis 18-jährige Störenfriede und Kleinkriminelle innerhalb ihrer Altersgruppe zu ächten und eine erzieherische Massnahme oder eine Wiedergutmachung zu empfehlen. Im Fall einer Straftat kommt es zusätzlich zu einer Beurteilung durch ein Jugendgericht, wobei die verhängte Massnahme bei der Strafzumessung berücksichtigt wird.

Der grosse Vorteil von Schülergerichten besteht darin, dass nicht Erwachsene auf fehlbare Jugendliche einwirken, sondern Gleichaltrige. Dieser Umstand erhöht den sozialen Druck. Die Meinung von Altersgenossen wird in der Regel eher akzeptiert als diejenige grauhaariger Richter. Schüler verstehen die Motive fehlbarer Kolleginnen und Kollegen besser als Erwachsene. Ausserdem wissen sie, mit welchen Sanktionen sie Unruhestifter in ihrer Freiheitsliebe treffen. Unpopuläre Massnahmen sind befristete Computer-, Handy- und Partyverbote sowie Arbeitsleistungen in der Freizeit.

Damit Schülergerichte funktionieren, müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein.

› Jugendliche sind keine Richter. Ziel ist nicht Machtausübung, sondern Erziehung. Das Strafverfahren bleibt in der Hand des Staates.

› Zum Einsatz kommen Schülergerichte nur bei Disziplinarverstössen und Fällen von Kleinkriminalität.

› Störenfriede stellen sich dem Schülergericht freiwillig. Auch deren Eltern sind mit dem Verfahren einverstanden.

› Auf eine Beweisführung wird verzichtet. Voraussetzung für die Beurteilung ist ein Geständnis des Fehlbaren.

› Schülerrichter werden für ihre anspruchsvolle Aufgabe ausgebildet. Sie unterstehen der Schweigepflicht.

› Für den Vollzug verhängter Massnahmen sorgen Eltern und Lehrpersonal gemeinsam.

«Teen Courts» sind eine sinnvolle Ergänzung zur staatlichen Jugendgerichtsbarkeit und eine Chance im Kampf gegen die zunehmende Disziplinlosigkeit. Nicht nur in Sachsen, auch in der Schweiz.

baz vom 26.4.06

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