Sonntag, Januar 21, 2007

Plädoyer für einen fernsehfreien Tag

Nach dem Papstbegräbnis sowie der Hochzeitsübertragung mit Prinz Charles und Camilla hat uns der TV-Alltag wieder eingeholt. Graue Fantasielosigkeit herrscht. Langweilige Spiel-Shows, Retorten-Serien sowie brutale Action-Krimis flimmern über die Bildschirme. «Aus dem Frauenknast» löst «Desperate Housewives» ab (vgl. nebenstehenden Bericht). Auf anderen Kanäle laufen «Blondes Gift», «Mord auf Bestellung» oder «Auf der Flucht - die Jagd geht weiter».

Auch die neuen Formate auf SF DRS tragen wenig zur Steigerung des Bildungsniveaus bei. Weder «Glanz & Gloria» noch «5gegen5» noch «Traumjobs» sind Pflichtstoff. Wer diese Sendungen verpasst hat, kann in der Schule, im Tram oder im Büro trotzdem mitreden. Das Niveau privater wie öffentlicher TV-Programme steht in diametralem Gegensatz zur Einschaltquote: Je belangloser die Sendungen, desto höher das Interesse. Insbesondere Kinder und Jugendliche pflegen sich bereits vor den Hausaufgaben vor den Bildschirm zu legen und MTV-Clips, Soaps sowie Serien reinzuziehen. Nach dem Abendessen geht der «TV-Konsum ohne Nachhaltigkeit» weiter. Die virtuelle Volksverdummung kennt keine Grenzen.

Massenverblödung ist eine Sache, kollektive Aggressivität eine andere. Laut einer neuen US-Studie beeinflusst der tägliche Fernsehkonsum die Atmosphäre im Elternhaus bereits im Vorschulalter. Forscher der Universität Washington verglichen die Einschätzungen von 1300 Müttern: Je mehr emotionale Zuwendung und kognitive Stimulierung Kinder im Alter von vier Jahren erfahren, desto weniger aggressiv sind sie. Im Gegensatz dazu entwickeln sich Kinder, die viel fernsehen, häufiger zu Schlägertypen. Aus Polizeiberichten ist bekannt, dass Jugendliche Straftaten aus Filmen kopieren.

Auswüchse des exzessiven TV-Konsums sind auch auf jedem Schweizer Pausenplatz, in der Innerstadt sowie im Sportstadion zu beobachten. Der Zerfall der Werte hat zur Folge, dass zuerst der Anstand wegbleibt und kurz danach die Grenzen zwischen Legalität und Strafbarkeit überschritten werden.

Der Mediziner Manfred Spitzer weist in seinem Buch «Vorsicht Bildschirm» Eltern darauf hin, dass TV und Computer für Kinder schädlich sind (die baz hat darüber berichtet). Gewaltdarstellungen führen zu vermehrter Gewaltbereitschaft. Was tun?

Eltern sind in der Pflicht, den TV-Konsum ihrer Kinder stärker zu kontrollieren und zu begrenzen. Einen hervorragenden Vorschlag machte vor 26 Jahren Helmut Schmidt: Er plädierte für einen «fernsehfreien Tag pro Woche». Das Plädoyer ist auch heute noch angebracht.

baz vom 12.4.2005

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