Sonntag, Januar 28, 2007

Gute Jugend? Schlechte Jugend?

Die Negativschlagzeilen der vergangenen Tage schockieren: «Jugendliche vergewaltigen 13-Jährige.» «Stift droht seinem Lehrer mit dem Tod.» «Jugendbanden randalieren am Rheinweg.» «15-Jährige legen mehrere Brände.» Die Vorfälle, die sich in Zürich-Seebach, Liestal, Basel und Möhlin ereignet haben, bringen die Jugend pauschal in Verruf. Vergewaltigungen, Todesdrohungen, Vandalismus und Tierquälerei scheinen an der Tagesordnung zu sein.

Aufgrund dieses Pauschaleindrucks drängt sich eine Frage auf: Ist die heutige Jugend schlechter, als jene der sechziger, siebziger oder achtziger Jahre? Ich kann, ich will es nicht glauben. Die Jugendlichen, die in diesen Tagen aus dem Rahmen fallen, sind eine kleine Minderheit. Der überwiegende Teil der heutigen Jugend bleibt rechtschaffen, friedlich, fleissig, anständig, sozial denkend, tolerant, fair und lehnt Gewalt ab. Die meisten Jugendlichen haben ein Unrechtsbewusstsein, können zwischen «Mein» und «Dein» unterscheiden und schrecken davor zurück, einem Menschen oder Tier Leid anzutun.

Jugendliche mit krimineller Energie gab es auch zu Beginn der achtziger Jahre, als ich am Jugendgericht Fribourg tätig war. In Erinnerung geblieben sind mir brutale Raubüberfälle von Schülern auf Rentner, blutige Schlägereien unter Jugendbanden sowie eine Brandstiftung, bei welcher ein verschupfter 14-Jähriger aus Rache den Bauernhof seiner Grosseltern in Schutt und Asche legte.

Verführerischer geworden ist seither das Umfeld, in dem Jugendliche aufwachsen: Computerspiele, Gewaltvideos und DVDs liefern Ideen für Straftaten und senken die Hemmschwelle zu delinquieren. Der Gruppendruck hat zugenommen: Wer dazu gehören will, muss sich permanent als stark und mutig beweisen, obwohl er als Individuum schwach ist. Provokationen gegenüber Autoritätspersonen gehören zum Ritual. In vielen Familien wird zudem die notwendige Wertediskussion vernachlässigt oder nicht mehr geführt.

Patentrezepte gegen diese Entwicklung gibt es nicht. Weder schärfere Strafen, noch erzieherische Massnahmen, noch Kampagnen oder Verbote helfen für sich allein weiter. Was es braucht, ist ein Gesamtpaket mit verschiedenen Massnahmen. Dazu gehört auch eine Mobilisierung des rechtschaffenen Teils der Jugend: Die friedliebende Mehrheit muss sich einbringen, an das Unrechtsbewusstsein der Minderheit appellieren und mit Sozialkompetenz und Zivilcourage «Irrläufer» in die positive Wertegesellschaft zurückholen.

baz vom 20.12.06

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