Sonntag, Januar 21, 2007

Eine Alternative zum Päckli-Stress

Haben Sie die Weihnachtsgeschenke für Ihre Lieben bereits gekauft oder gebastelt? Ich bin noch voll mit Einpacken beschäftigt: ein Aftershave für den Vater, eine Sporttasche für Fräulein Tochter, eine FCB-Saisonkarte (Sektor D) für den Sohn, Pralinen für die Schwester, die neuste Bildsoftware für das Patenkind, der übliche Tourismuskalender für die Freunde in Amerika …

Doch damit sind die Vorbereitungen noch keineswegs erledigt.

Womit beglücke ich meine Mutter, Götti Toni, Tante Rosmarie, Onkel Hans Ruedi oder meine Freunde in Frankfurt? Zur Auswahl stehen ein Adressbuch «Hundertwasser», eine Flasche Olivenöl «Sorrentino», der Mondphasenkalender mit Postkarten, Blumen in Dosen, ein Pflegeset aus Kürbiskernöl oder ein Pahminaschal. Wer bekommt was? - Ratlos sinke ich ins Sofa.

Weihnachtsgeschenke haben erst eine relativ kurze Tradition. In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hielt der Brauch in breiten Bevölkerungsschichten Einzug. Nur in gutbürgerlichen Kreisen beschenkte man sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Weihnachtsbaum. 150 Jahre später veranstalten wir einen derartigen Rummel um die Schenkerei.

«Eigentlich sind Geschenke zu Weihnachten heutzutage überflüssig», glaubt der Berliner Pädagogikdozent Friedrich Rost, der über «Theorien des Schenkens» promoviert hat. In einer Zeit, in der primitive Wohnverhältnisse und Hunger an der Tagesordnung waren, hätten Präsente einen ganz anderen Stellenwert besessen als in der jetzigen «Überflussgesellschaft», erläutert er.

Der Trendforscher und Psychologe Alfred Gebert aus Münster ergänzt, was heute ein Weihnachtsgeschenk ausmachen sollte: «Der materielle Wert ist zweitrangig. Entscheidend sind die Überlegung und die Liebe, die darin stecken.»

«Schenken aus Liebe, aus Pflicht oder weil es halt so Tradition ist?» lautet meine Frage kurz vor dem Fest.

Ziehen wir das «Weihnachtspferd» doch mal am Schwanz auf: Was fehlt meiner Familie, meinen Bekannten und Verwandten? Materiell eigentlich nichts. Sie haben alles, was ihr Herz begehrt. Nur eines könnten wir alle gebrauchen: mehr Zeit für Gespräche, Begegnungen und für die schönen Seiten des Lebens. Mehr Zeit fürs Lesen, Spazieren und Velofahren.

Mein Entschluss steht fest: Ich schenke meinen Lieben «Zeitgutscheine». In unserer immer hektischeren Zeit ist es wichtig, dass wir Zeit füreinander haben, Zeit für die Kinder, für Freunde, für sich selbst. Fazit: Zeit ist das schönste Weihnachtsgeschenk aus Liebe.

baz vom 24.12.2004

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