Sonntag, Januar 21, 2007

Einbürgerung nach dem Thuner Modell

Das Bundesgericht hat entschieden, dass Einbürgerungsentscheide an Gemeindeversammlungen weder geheim noch an der Urne getroffen werden dürfen. Was explizit geboten ist, bleibt unklar. Dank einer neuen Nationalfonds-Studie wissen wir nun immerhin, dass die Rechtsprechung Sinn macht: Bei geheimen Abstimmungen liegt die Ablehnungsquote um knapp einen Viertel höher als bei offenen Verfahren (vgl. baz vom Mittwoch, Seite 3).

Seit April läuft die SVP gegen die höchst- richterliche Rechtsprechung aus Lausanne mit der Initiative «für demokratische Einbürgerungen» Sturm. Unter dem Deckmäntelchen «Demokratie» will die Partei «Fehlinterpretationen in Einbürgerungsfragen» verhindern. Gleichzeitig sollen «Masseneinbürgerungen zur Senkung und Verfälschung des hohen Ausländeranteils in unserem Land gestoppt werden».

In Tat und Wahrheit geht es «Ueli Maurer & Co.» darum, das geheime Abstimmungsverfahren zu retten, um auf diesem Weg in den Gemeinden weiterhin Einbürgerungen zu verhindern. Die SVP weiss: Geheime Abstimmungen erleichtern «Bauchentscheide», die ausländerfeindlich oder diskriminierend motiviert sein können. Gegen solche Strategien hilft eine optimale und zügige Integration der Einbürgerungswilligen.

Die Stadt Thun hat nicht nur einen tollen Fussballclub. Das «Tor zum Berner Oberland» ist auch Vorreiter im Kampf gegen Vorurteile und Fremdenhass. Seit geraumer Zeit schickt Thun seine «Möchtegern-Schweizerinnen und -Schweizer» in Sprach- und Integrationskurse. Wer sich in Thun einbürgern lassen möchte, muss drei Kursabende besuchen, an denen über die gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten der Schweiz informiert und debattiert wird. Rechte und Pflichten im Alltag, Staat und Politik, die Schweiz und ihre Aussenbeziehungen stehen ebenso zur Diskussion wie das Spektrum der politischen Parteien oder die personelle Zusammensetzung des Bundesrats. Eine private Schule führt die obligatorischen Kurse durch. Die Teilnahmegebühr entrichtet der Antragsteller zusammen mit der Einbürgerungsgebühr.

Der Thuner Weg macht Sinn. Wer Schweizer oder Schweizerin werden will, soll sich anstrengen und nochmals die Schulbank drücken. Die Staatsbürgerschaft ist nicht zum Nulltarif zu haben. Kenntnisse der hiesigen Sprache und Verhältnisse sind Vorbedingungen für eine gute Integration. Wer einen Sprach- und «Schweizkurs» besucht, beweist, dass ihm seine neue Heimat nicht egal ist. Und wer zur vollen Integration bereit ist, verdient eine offene Abstimmung.

baz vom 4.6.2005

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