Sonntag, Januar 21, 2007

Ein Lob auf das motivierende Loben

Kritisieren ist «in»: Am Arbeitsplatz, am Stammtisch, im Verein, in der Schule, in der Familie wird gemotzt, beanstandet, reklamiert, gerüffelt, gerügt und getadelt. Gelobt wird weniger, obwohl Loben das beste Erziehungs- und Motivationsmittel ist.

«Im Bundesrat sitzen nur Nieten», schreibt «Herr Basler» in einem Leserbrief. «Ihr habt miserabel gespielt und seid ganz allein schuld an der Kanterniederlage», zerpflückt der Fussballtrainer sein Team. «Ihr habt überhaupt nichts begriffen», räsoniert der Mathe-Lehrer bei der Rückgabe der Examensblätter. «Das Zimmer nicht gemacht, nur TV geschaut, nichts geholfen», ruft «Frau Mama» ihrem Nachwuchs zu.

Eine negative Einstellung, verbunden mit mehr oder weniger harter Kritik, scheint eine typisch schweizerische Eigenschaft zu sein. Vielleicht fällt es uns schwer, die Erfolge anderer zu geniessen. Lieber legen wir den Finger auf Fehler und meinen naiv, dadurch etwas Positives zu bewirken. Neid, Eifersucht oder Schadenfreude sind weitere mögliche Erklärungen.

Die Mentalität der Amerikaner ist grundverschieden: Zuerst wird gelobt, erst dann - wenn nötig - kritisiert. Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl sind zentrale Werte, die US-Kindern bereits mit der Muttermilch eingeflösst werden. «You did a great job», bekommen schon Kindergärtner zu hören. «What a wonderful report», lautet der Kommentar des Lehrers, obwohl der Aufsatz voller Fehler ist.

Die Kinder- und Jugendzeitschrift «Spick» hat das eidgenössische Defizit erkannt und dem Thema in der August-Ausgabe zwei Seiten gewidmet. Psychologen hätten die «positive Verstärkung» des Lobes entschlüsselt. Wer viel gelobt werde, zeige mehr lobenswertes Verhalten, das dann wiederum belohnt werde, heisst es in dem Beitrag. Ehrlich gemeintes Lob verstärke das Selbstwertgefühl und sporne zu neuen Leistungen an. Haben Sie heute schon gelobt?

P.S. Wir von der BaZ hoffen sehr, dass Sie am kommenden Samstag nicht nur Kritik, sondern auch ein motivierendes Lob für die neue Zeitung übrig haben werden.

baz vom 1.9.2004

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