Montag, Januar 22, 2007

Das Volk und die Meinungsbildung

Lieber Herr Grimmig, vielleicht erinnern Sie sich: Wir haben uns am Sonntagabend im ICE 4 zwischen Bern und Basel kennen gelernt. Sie sassen rechts von mir, und wir diskutierten über die Stadt und ihre Probleme.

Ihr Tenor: Die weniger Betuchten müssten für die Vergnügen der Superreichen, für den «Daig», bezahlen. Als Beispiele nannten sie das neue Stadtcasino-Projekt, das nach Ihrer Aussage «mehrheitlich aus Steuergeldern finanziert wird». Die lärmdämpfenden Gleise am Steinenberg würden, so sagten Sie, nächstes Jahr durch eine Preiserhöhung der BVB berappt. Den Basler Primarschulen stehe weniger Geld zur Verfügung, weil die Universität mehr Mittel brauche. Weiter störten Sie die Abfallberge im Kleinbasel sowie die «auf dem Bahnhofplatz nutzlos herumsitzende Jugend».

Was Ihre Argumentationslinien betrifft, gehören Sie - mit Verlaub - zur Kategorie der «Weiss-schon-alles-weiss-es-besser»-Menschen. Ihre Aussagen konnten noch so falsch sein: In keinem der obengenannten Bereiche ist es mir gelungen, Vorurteile zu korrigieren, Sie von falschen Prämissen abzubringen oder durch Fakten zu überzeugen. Insgesamt machten Sie auf mich einen grimmigen Eindruck: unzufrieden, frustriert und offensichtlich verbittert.

Lieber Herr Grimmig: Die Casino-Gesellschaft ist nicht «der Staat», sondern ein privatrechtlich organisierter Verein. Das Neubauprojekt wird zur Hälfte von der Casino-Kommission sowie privaten Spenderinnen und Spendern getragen. Die Geleiseerneuerungsarbeiten am Steinenberg sind Teil des Service public und nützen nicht nur den Musikliebhabern, sondern ganz Basel. Sparen müssen auch die Universität und das Theater. Bezüglich Abfallentsorgung sucht die Stadtreinigung immer wieder nach innovativen Lösungen. Und die Basler Jugend ist weder unnütz noch faul, sondern einfach anders als die Jugend, die Sie vor fünfzig Jahren erlebten.

Das Hauptproblem aber, lieber Herr Grimmig, liegt in der Art, wie Sie Ihre Meinung bilden: Sie lesen keine Kaufzeitungen, orientieren sich mit Hilfe des Gratisblatts «Spatz» sowie ab und zu auf «Telebasel». Das genügt nicht. Wer richtig informiert sein will, sollte den Fakten auf den Grund gehen, seriöse Quellen benutzen und zuhören können.

Ja, lieber Herr Grimmig: Reisen bildet. Ich jedenfalls habe am Sonntagabend wieder einmal erfahren, wie manche Vertreter des sogenannten «Volks» ihre Meinung bilden, wie sie über heikle Themen denken und wie schlecht sie oft informiert sind. «Nüt für unguet.»

baz vom 25.7.06

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