Sonntag, Januar 21, 2007

Als Bittsteller auf der US-Botschaft

Die US-Botschafterin in Bern, Pamela Pitzer Willeford, erklärte unlängst bei einem Besuch in Basel, dass zwischen Freunden - dazu gehören zweifellos die «Schwesterrepubliken» USA und Schweiz - Kritik geäussert werden darf. Machen wir doch die Probe aufs Exempel: Frau Botschafterin, die neue Visumspolitik Ihres Landes ist diskriminierend, schikanös und aufs Abkassieren ausgerichtet. Geschäftsleute, Händler, Investoren, Wissenschaftler, Studenten, Austauschschüler, Au-pair-Mädchen und Journalisten benötigen für eine Reise in die USA ein Nichteinwanderungs-Visum. Dieses Dokument kann nicht auf dem Postweg eingeholt, sondern muss persönlich auf der US-Botschaft an der Jubiläumsstrasse in Bern abgeholt werden.

Bevor man sich auf den Weg macht, ist das notwendige Formular, die DS-156-Form, aus dem Internet herunterzuladen. Das Dokument enthält einen Code, den man bei der telefonischen Reservierung anzugeben hat. Ohne diesen Code gibt es keinen Termin. Das Telefongespräch auf eine 0900er-Nummer kostet Fr. 2.50 pro Minute. In meinem Fall entstanden durch die simple Terminvereinbarung Kosten in der Höhe von Fr. 17.50.

Abkassiert wird auch bei der Visumsgebühr: Stolze 130 Franken sind einzuzahlen, bevor man nach Bern reist; nicht per e-Banking oder bar, sondern ausschliesslich via Überweisung auf das Postcheck-Konto der US-Botschaft.

Ist man dann zum angegebenen Termin in Bern eingetroffen, folgt die letzte Etappe des Bürokratenlaufs: Dokumentenkontrolle, Eingangskontrolle, Wartezeit in der Aufenthaltszone, erste Befragung, Fingerabdruck, zweite Befragung … das Prozedere in der Konsularabteilung dauert zwischen 60 und 90 Minuten. Behandelt wird man dabei nicht wie ein mündiger US-Reisender, sondern wie ein Sozialhilfeempfänger oder Bittsteller.

Ob das nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center verschärfte Visumsverfahren primär der Terrorismusbekämpfung dient, muss unter diesen Umständen ernsthaft bezweifelt werden. Den Abdruck meiner beiden Zeigfinger habe ich bei US-Amtsstellen bereits viermal hinterlegt. Bei meiner kürzlichen Einreise in die USA wurden meine Finger zum fünften Mal digital erfasst.

Kritik, Frau Botschafterin, muss erlaubt sein. Frage: Wie würden Ihre Landsleute reagieren, wenn Amerikanerinnen und Amerikaner - gemäss völkerrechtlich anerkannter Reziprozität - bei der Beantragung eines Nichteinwanderungs-Visums von der Schweiz mit vergleichbaren Schikanen konfrontiert würden?

› www.baz.ch/go/usvisum

baz vom 22.11.05

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